„Ich würde mich gerne mit meinen Kindern darüber beraten, wie meine zukünftige Pflege aussehen kann. Aber immer wenn ich anfange davon zu reden, sagen sie: Geh Mama, es ist doch noch nicht so weit. Dir geht’s doch gut. Rede die Zeit bitte nicht herbei“
Mit diesen Worten beschrieb Frau Anna, 84 Jahre alt, beim ersten Anruf ihre Situation und fügte hinzu: „Aber ich MUSS darüber sprechen. Ich brauche Klarheit und will niemanden zur Last fallen.“
Frau Anna hatte daher Folgendes ausgeklügelt: Sie wollte die Familie zu einem gemeinsamen Gespräch einladen, zu einer Familienkonferenz, wie sie es nannte. Und sie suchte eine neutrale Person zur Moderation. „Könnten Sie sich vorstellen dieses Gespräch mit mir und meiner Familie zu führen? fragte sie mich. Ich war von ihrer Zielstrebigkeit von Anfang an angetan und sagte zu.
Nach einem gemeinsamen Treffen in dem ich mit Frau Anna die Eckpunkte und Ziele der Familienkonferenz festlegte, lud Frau Anna mit einem persönlichen Brief ihre Familie ein. Zwei Wochen später saßen in meinem Beratungsraum elf Personen - Töchter, Söhne, Enkelkinder, sogar ein Urenkerl und natürlich Frau Anna selbst. Die Angehörigen waren nervös, etwas irritiert aber irgendwie auch beeindruckt vom Elan der alten Dame. Und Frau Anna war auch beeindruckend. Sie war schlichtweg wunderbar, Sie nannte die Sache beim Namen, legte ihre Vorstellungen dar, fragte nach der Sichtweise der Kinder, erklärte was sie auf keinen Fall wollte (so wollte sie etwa niemals von einem der Söhne gewaschen werden).
Das Gespräch dauerte circa 2 Stunden. Am Ende herrschte Klarheit und auch Erleichterung, jeder wusste wohin die Reise geht, wenn es denn irgendwann so weit wäre, dass Frau Anna Pflege bräuchte.
Die Familienkonferenz oder „Reden wir über mein Altwerden“
Zu Hause in den eigenen vier Wänden oder im Familienverbund alt zu werden, das ist alten Menschen besonders wichtig und auch Angehörigen in der Regel ein großes Anliegen.
„Ich habs versprochen, Mama kommt nie ins Heim!“, sagen viele Töchter und Söhne, wenn man sie darauf anspricht, welche Vorstellungen es in der Familie gibt zum Altwerden der Eltern. Und dieses Versprechen wird auch zu einem hohen Anteil eingelöst. 80% aller Pflegebedürftigen in Österreich erhalten ihre Betreuung oder Pflege von der Familie.
Das Zusammenleben der Generationen ist also allen ein Anliegen. Und doch, so zeigen Untersuchungen, wird in den Familien überraschend wenig darüber geredet. Solange die Seniorin/ der Senior fit und selbständig ist, ist das Zusammenleben auch meist problemlos. Doch, wenn alte Menschen Unterstützung brauchen, sind es oft die nicht besprochenen Themen, die in Folge zu Konflikten, Missverständnissen, Bevormundung oder auch Überforderung führen können.
Ein Gespräch, eine Art Familienkonferenz, am besten von einer neutralen Person moderiert, könnte diesen Unklarheiten und Konflikten vorbeugen.
Beispiele für Fragen, die zu klären sind:
- Wie will die/ der SeniorIn leben, solange sie/ er gesund und fit ist, wie wenn Unterstützung oder gar Pflege notwendig wird?
- Was ist der/ dem Senioren wichtig für das Leben im Alter?
- Welche Vorstellungen vom Altwerden der SeniorIn hat die Familie?
- Welche Rahmenbedingungen hat die Familie (Wohnung/ Haus, Familien- und Berufssituation der Familienmitglieder, Finanzen)?
- Wer könnte bei Bedarf welche Hilfestellungen geben und in welchem Ausmaß? Gäbe es Hilfe aus dem Umfeld?
- Was ist für die SeniorIn wichtig, dass sie die Hilfe auch annahmen kann ohne sich als Last zu erleben?
- Wo liegen die Grenzen der Familie? Was kann sie leisten, was nicht?
- Was braucht die Familie, um möglichst lange die/ den SeniorIn unterstützen zu können?
Je offener im Vorfeld die gesamt Familie über diese und ähnliche Fragen redet, umso besser wird das Miteinander gelingen.
Frau Elfriede ruft eine Familienkonferenz ein.
Kürzlich rief eine Frau Elfriede an. Sie erzählte mir, Sie hätte von der Tochter von Frau Anna erfahren, dass ich Familienkonferenzen abhalten würde. Ihre Großmutter wäre derzeit im Krankenhaus und schon bettlägerig. „Bald soll sie entlassen werden und ich hege den Verdacht die Pflege wird an mir hängen bleiben. Aber das schaff ich nicht alleine“ erzählte sie in einem Wortschwall, der ihre Angst widerspiegelte. „Können Sie auch mit uns eine Familienkonferenz machen?“ fragte sie. Ich konnte. Das Gespräch fand heute statt.
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